Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich

Seit knapp zehn Jahren ist die Umweltschutzorganisation BirdLife Österreich Partner des Forums Rohstoffe. Warum diese Kooperation Sinn stiftet, welche ökologischen Vorteile Rohstoffgewinnungsstätten mit sich bringen. Und welche Beispiele für die einfache Umsetzung von betrieblichen Maßnahmen es bereits gibt, berichtet Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich, im Interview.

Was ist der wichtigste gemeinsame Nenner, den der Kompromiss „Wirtschaft & Naturschutz“ mit sich bringt?

Gábor Wichmann: Der ökologische Vorteil von Rohstoffgewinnungsstätten. In der öffentlichen Wahrnehmung werden Rohstoffgewinnung und Naturschutz vielfach als Gegensätze gesehen. Steinbrüche, Sand- und Kies gruben können jedoch auch wertvolle Lebensräume für seltene, spezialisierte Tier- und Pflanzenarten sein.

Worin liegt Ihre Hauptaufgabe als Partner des Forums Rohstoffe?

BirdLife Österreich entwickelt gemeinsam mit der Rohstoffbranche umsetzungsorientierte Naturschutzprojekte in den Gewinnungsstätten und wirkt bei der Ausführung vor Ort mit. Weiters unterstützt BirdLife das Forum Rohstoffe dabei Fragestellungen auch mit den relevanten Behörden zu erörtern.

Bei Flussregenpfeifern sind Eier und Junge im Kies perfekt getarnt

Wie genau unterstützen Sie die Mitgliedsunternehmen dabei, Lebensräume und damit die Artenvielfalt langfristig zu bewahren?

Man kann nur schützen, was man kennt. Darum werden den Betrieben bei den Umsetzungsprojekten Experten zur Seite gestellt, um zunächst zu erheben, was überhaupt schon an Arten und Lebensraumtypen vorhanden ist. In vielen Rohstoffgewinnungsstätten kamen schon bemerkenswerte Tier- und Pflanzenarten vor, ohne dass man genauer davon Notiz nahm. Viele sind auch erst auf den zweiten oder gar dritten Blick erkennbar, weil sie gut getarnt sind oder sich im Sand vergraben. In weiterer Folge werden im Einvernehmen mit den Betrieben einfache Maßnahmen erarbeitet, wie diesen Arten und Lebensraumtypen noch besser geholfen werden kann, ohne den Betrieb dabei wesentlich zu behindern oder hohe Kosten zu erzeugen. Diese Maßnahmen werden dann, begleitet und dokumentiert von den Experten, von den Betrieben umgesetzt.

Warum ist gerade ein Steinbruch oder eine Kiesgrube ein wichtiger Ort, um den wildlebenden Tierbestand zu erhalten?

Viele interessante Lebensräume der Naturlandschaft sind durch Land- und Forstwirtschaft, Wasserkraft und Hochwasserschutz in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen, vor allem dynamische Flusslandschaften mit großflächigen und häufig verlagerten Kiesbänken, vegetationsarmen Sandflächen und Steilufern. Besonders letztere Lebensräume wurden von zahlreichen, jedoch nicht immer leicht wahrnehmbaren Spezialisten besiedelt. Diese finden heute fast nur mehr in sogenannten Sekundärlebensräumen wie Sand- und Kiesgruben und Steinbrüchen ihre letzten Refugien – „Natur aus zweiter Hand“ gleichsam.

Welche Tiere finden dort Zuflucht?

Unter den Vögeln sind einerseits Kiesbrüter wie Flussregenpfeifer, Flussuferläufer und Triel zu nennen, weiters in Sandwänden Höhlenbrüter wie Uferschwalbe und Bienenfresser, Felsbrüter wie der Uhu und der offene Schuttflächen bevorzugende Singvogel Steinschmätzer. Unter den Reptilien typisch sind die Zauneidechse, im trockenwarmen Osten die Smaragdeidechse sowie verschiedene Schlangenarten typisch für Rohstoffgewinnungsstätten. In Feuchtflächen und Tümpeln, die hier auch oft anzutreffen sind, kommen Lurche wie Gelbbauchunke, verschiedene Molche, die Wechselkröte und in Einzelfällen sogar die hierzulande sehr seltene Kreuzkröte vor. Bei den Insekten ist eine große Vielfalt von Libellen, Sandlaufkäfern, besonderen Heuschrecken und die Sumpfgrille spezialisiert auf Lebensraumtypen, die besonders in Rohstoffgewinnungsstätten häufig sind.

Wie offen sind die Unternehmer für Veränderungen im Betrieb in Hinblick auf Naturschutz und Biodiversität?

Die Unternehmer der Rohstoffbranche waren und sind den Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität in der Regel sehr aufgeschlossen. Drei Faktoren sind dabei besonders entscheidend: Erstens das grundsätzliche Platzangebot in der Gewinnungsstätte, zweitens das, wenn auch nur kurzfristig (z.B. für ein Jahr), Vorhandensein von gerade nicht aktiv abgebauten oder befahrenen Flächen und drittens, ob die Maßnahme kostengünstig und einfach in der Umsetzung ist und den laufenden Betrieb nicht wesentlich einschränkt. Für all dies lassen sich jedoch meistens im Dialog kluge und einfache Lösungen entwickeln.

Welches Wissen geben Sie an die Unternehmer weiter?

In den Umsetzungsprojekten entstehen bebilderte und allgemein verständliche Leitfäden (Steckbriefe) für Arten und Lebensräume, von denen den Unternehmen jene übergeben werden, die für ihre Gewinnungsstätten relevant sind. Darin werden die Kennzeichen und Bedürfnisse der Arten kurz erläutert sowie allgemein formulierte praxisorientierte Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Wenn BirdLife und die weiteren Experten sich mit einem konkreten Betrieb auf konkrete Maßnahmen verständigen können, werden die dabei zusätzlich erstellten betriebsbezogenen Unterlagen dem Unternehmen selbstverständlich zur Verfügung gestellt.

Der Uhu brütet gerne in Felsnischen

Wie schätzen Sie die Anstrengungen der heimischen Betriebe in puncto Tierschutz im europäischen Vergleich ein?

Hier ist Österreich sicher unter den Vorreitern. Der Europäische Gesteinsverband UEPG ist schon länger koordinierend und motivierend tätig. Dass wie in Österreich die gesamte Branche gemeinsam an einem Strang zieht, ist jedoch in Europa noch nicht in vielen Ländern üblich. Dies ist sicherlich auch dem WWF Österreich zu verdanken, der schon vor 2015 mit dem Forum Rohstoffe kooperierte und an deren Vorarbeiten BirdLife seither anknüpfen und sie weiterentwickeln darf.

Wie sieht eine gelungene Partnerschaft zwischen BirdLife und den Unternehmen der mineralischen Rohstoffbranche aus?

Die Partnerschaft sehen wir als gelungen an, wenn Unternehmen aktiv an BirdLife herantreten und freiwillig mitwirken wollen, die Biodiversität zu erhalten und zu verbessern; entweder weil es ihnen grundsätzlich ein Anliegen ist, oder auch weil sie sich damit bessere Chancen für die Bewilligung und den möglichst reibungslosen Betrieb weiterer Anlagen versprechen – egal, die Hauptsache aus Sicht von BirdLife ist im Ergebnis, dass sich die Lebensbedingungen unserer Tier- und Pflanzenwelt verbessern.