Das Wachstumsprogramm der EU „European Green Deal (EGD)“ wird von vielen als überdimensionales Gebilde angesehen, es hat aber etwas in Gang gesetzt. Generaldirektionen der Europäischen Kommission, die bisher stur nebeneinander her gearbeitet haben, bündeln ihr Wissen und ihre Kompetenzen, um wichtige Umweltbereiche neu zu betrachten. Das zeigt sich beispielsweise an einer Initiative für einen Aktionsplan „Auf dem Weg zu einem Null-Schadstoff-Ziel der EU für Luft, Wasser und Boden (Towards a Zero Pollution Ambition for air, water and soil)“. Hier wird vernetzt gegen eine fortschreitende Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden in der EU vorgegangen.

 

Verschmutzung der Umwelt ist für zahlreiche physische und psychische Krankheiten verantwortlich und wird als mächtiger Treiber hinter dem Biodiversitätsverlust und der Artenausrottung gesehen. Die volkswirtschaftlichen Kosten von Luft- oder Bodenverschmutzung sind im Bereich der gesundheitsrelevanten Kosten (wie Krankenstände, verringerte Produktivität), bei der Degradation von Böden und den damit verbundenen Verlusten der landwirtschaftlichen Erträge sowie auch bei der Verringerung der Ökosystemleistungen zu finden. Bestes Beispiel ist der Verlust der Bienenvölker als Bestäuber von Obstplantagen durch den Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft. Die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind durch gefährliche oder toxische chemische Stoffe, durch pharmazeutische Reststoffe, Mikroplastik oder Pestizide bedroht. Die vorliegende Aktion, die Mitte November 2020 durch eine öffentliche Konsultation unterstützt wurde, soll in einem konkreten Zero Pollution Action Plan münden, der bereits im zweiten Quartal 2021 vorgelegt werden soll.

 

Gleichzeitig interessant wie beunruhigend ist die Breite, die mit dieser Initiative abgedeckt werden soll. Es geht tatsächlich nicht nur um Verschmutzung der Umwelt und Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch chemische Stoffe, wie der Titel durchaus suggerieren würde. Gemeint sind auch Verschmutzung durch den Verkehrssektor und die Industrie sowie Abfall, Abwässer und Lärm. Damit wird dieser Aktionsplan in Regelungen des Chemikalienrechts, des Abfallregims und der Industrieemissionen eingreifen. Das Thema Biodiversität wird damit ebenso angesprochen wie die Reduktion von Abfällen und die Kreislaufwirtschaft oder das Produktdesign, ohne konkreter darauf einzugehen.

 

Die Konsultation versuchte die Stimmung der europäischen Bevölkerung als auch der Experten einzufangen. Folgende Grundsatzfragen sollten unter anderem beantwortet werden, von denen einige für die Industrie brisant werden können:

  • Wie wirkt sich die Verschmutzung auf die Menschen sowie die Umwelt aus?
  • Wie wirksam wird die Umweltverschmutzung durch bestehende politische Maßnahmen bekämpft?
  • Welche Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung sollten in der Zukunft ergriffen werden?
  • Wie sollte die Überwachung der Umweltverschmutzung in der Zukunft aussehen?
  • Welches Potenzial besitzen digitale Lösungen für die Bekämpfung der Umweltverschmutzung?

 

Wir alle wünschen uns eine schadstofffreie Lebensumwelt. Allerdings lassen sich die Altlasten der modernen Industriegesellschaft nicht von heute auf morgen durch einen Aktionsplan beseitigen und genehmigte Emissionen aus der Industrie nicht auf eine Black List schreiben. Ist eine Zero-Pollution Gesellschaft überhaupt möglich? Fangen wir doch bitte mal mit dieser Diskussion an!